Ethnografin des KZ Ravensbrück
Nach einem Studium der Ethnologie verbrachte Germaine Tillion (1907–2008) in den 1930er Jahren mehrere längere Forschungsaufenthalte in Algerien.
Mit Kolleg:innen aus dem Völkerkundemuseum (Musée de l’Homme) in Paris baute sie bereits ab Sommer 1940 ein Widerstandsnetz auf. Aufgrund einer Denunziation wurde sie verhaftet und im Oktober 1943 nach Ravensbrück deportiert. Mit ihrem durch die ethnologische Praxis geschulten Blick erfasste sie die dem KZ-System zugrunde liegenden Prinzipien von Ausbeutung und Vernichtung. Die Erkenntnisse vermittelte sie ihren Mitgefangenen. Das half den Frauen, die eigene Erfahrung als Teil eines Systems zu verstehen. Die Dokumentation und Analyse des KZ Ravensbrück machte sie zu einer ihrer Lebensaufgaben.
„Ihr müsst verstehen, was euch zugrunde richtet!“
Viele der Frauen tauschten im KZ Ravensbrück Kochrezepte aus und notierten diese heimlich. Germaine Tillion interesierte sich jedoch nur scheinbar für „Toasts im Ofen“ und „Flusskrebse auf baskische Art“. Die ersten Buchstaben der Zeilen ergeben von oben nach unten gelesen die Namen der SS-Ärzte Richard Trommler (geschrieben Tromer) und Martin Hellinger (geschrieben Helinger). Diese und weitere Notizen konnte Tillion so aus dem Lager schmuggeln.